Interview mit Dr. Christian Scharpf

Am 1. März hat Dr. Christian Scharpf das Amt des Münchner Wirtschaftsreferenten von Clemens Baumgärtner übernommen. Ein exklusives Gespräch.

Münchens neuer Wirtschaftsreferent

Dr. Christian Scharpf tritt sein neues Amt als Wirtschaftsreferent in einer Zeit an, die von großen wirtschaftlichen Herausforderungen, aber auch Chancen geprägt ist. Im Exklusiv-Interview mit munich business spricht er über seine Rückkehr nach München, die Stärken des Münchner Wirtschaftsstandorts und die großen Herausforderungen der kommenden Jahre. Außerdem beschreibt er, wie er das Miteinander in der Stadtverwaltung stärken will, um gemeinsam an einer erfolgreichen Zukunft zu arbeiten.

Aber auch das Persönliche kommt nicht zu kurz: Dr. Scharpf verrät, wo er in München Ruhe und Inspiration findet und erinnert sich an besondere Wiesn-Momente.

munich business: Willkommen zurück in München, Herr Dr. Scharpf! Sie haben viele Jahre in der Stadt gelebt und gewirkt, wodurch Sie die Wirtschaft, die Stadtverwaltung und die Politik gut kennen. Wie fühlt es sich an, wieder in München zu sein?

Dr. Christian Scharpf: Meine Frau und ich leben ja bereits seit rund 30 Jahren in München, seit uns das Studium an die Isar geführt hat. Die letzten fünf Jahre habe ich als Oberbürgermeister unter der Woche in Ingolstadt gelebt, meine Frau ist mit unseren Kindern in München geblieben. Jetzt wieder an meiner ehemaligen beruflichen Wirkungsstätte bei der Landeshauptstadt tätig zu sein, fühlt sich sehr vertraut und wie heimkommen an. Ich bin darüber sehr glücklich.
 

Sie kennen das RAW, das Referat für Arbeit und Wirtschaft, bereits aus Ihrer früheren Tätigkeit im Direktorium im Münchner Rathaus. Was reizt Sie besonders an Ihrer neuen Rolle als Wirtschaftsreferent?

Das RAW hat in seinen sechs Fachbereichen eine wahnsinnig große Themenbandbreite, was den Job als Wirtschaftsreferent sehr abwechslungsreich macht. Mich reizt besonders, dass man nicht bloß als „Behördenleiter“ agiert, sondern viel draußen bei den Menschen, bei Unternehmen, in den Einrichtungen der Beschäftigungsförderung, den Verbänden, Vereinen und Institutionen ist und politisch wirksam sein kann. Auch wenn ich operativ nicht für alle Politikbereiche zuständig bin, muss ich trotzdem die gesamte Stadtpolitik auf dem Radar haben: Vom bezahlbaren Wohnen über sanierte Schulen und ausreichend KITA-Plätze bis hin zur Mobilität und zur Sicherheit in der Stadt und vielem mehr, weil diese Standortfaktoren existentielle Voraussetzungen für einen prosperierenden Wirtschaftsstandort sind. Das treibt die Unternehmen und auch die Beschäftigten um und deshalb muss es auch den Wirtschaftsreferenten umtreiben.

"Wieder bei der Landeshauptstadt tätig zu sein, fühlt sich sehr vertraut und wie heimkommen an. Ich bin darüber sehr glücklich."

Dr. Christian Scharpf, Referent für Arbeit und Wirtschaft

Welche Erfahrungen bringen Sie für Ihre neue Aufgabe mit, und wie planen Sie, die vielfältigen und komplexen Herausforderungen anzugehen? Ist es hilfreich, von außen auf München geschaut zu haben?

Die letzten Jahre als Oberbürgermeister in Ingolstadt waren schon sehr hilfreich und auch lehrreich. Ich war unter anderem Aufsichtratsvorsitzender und Verwaltungsratsvorsitzender bei den Stadtwerken, der Sparkasse, im Klinikum, den Kommunalbauten und unserer Wirtschaftsförderungsgesellschaft, wo wir die gesamte Bandbreite der wirtschaftlichen und unternehmerischen Themen einer größeren Stadt hatten. In der Funktion war ich auch im regelmäßigen Austausch mit den Firmen vor Ort, mit den Kammern IHK und HWK genauso wie mit der Arbeitsagentur und den Gewerkschaften. Das alles begegnet mir jetzt als Wirtschaftsreferent wieder. Ein bisschen hilft mir freilich auch meine Ausbildung als gelernter Bankkaufmann und meine Expertise im kommunalen Wirtschaftsrecht, in dem ich promoviert habe.

 

Als Oberbürgermeister von Ingolstadt haben Sie großen Wert auf überparteiliche Zusammenarbeit gelegt und eine Kultur des Vertrauens gefördert. Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit Ihren Mitarbeiter*innen und den anderen städtischen Referaten besonders wichtig?

Ein gutes Betriebsklima ist die halbe Miete für eine echte Arbeitszufriedenheit aller Kolleginnen und Kollegen. Dazu gehört ein wertschätzender und vertrauensvoller Umgang miteinander. Der Idealzustand wäre, dass jede und jeder in der Früh gerne ins Büro kommt und sich auf seine Tätigkeit im RAW freut. Innerhalb der Stadtverwaltung sollten wir nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten, denn wir haben alle ein gemeinsames Ziel: Für die Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten und die Stadt am Laufen zu halten, damit München lebenswert und liebenswert bleibt. Deshalb gehe ich völlig unvoreingenommen auf meine Referentenkolleginnen und -kollegen zu. Mich interessiert weniger das Parteibuch, sondern vielmehr, dass wir im konstruktiven Miteinander gemeinsam unsere Stadt voranbringen.

"Wir haben alle ein gemeinsames Ziel: Für die Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten und die Stadt am Laufen zu halten, damit München lebenswert und liebenswert bleibt."

Dr. Christian Scharpf, Referent für Arbeit und Wirtschaft

Dr. Christian Scharpf (1.v.l.), zusammen mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (2. v.l.), Stadtbaurätin Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk sowie Stadtrat Dr. Florian Roth. (Foto: Christopher Haarhaus/Presseamt)

München zählt zu den wirtschaftsstärksten Städten Deutschlands. Welche Stärken des Standorts möchten Sie weiter fördern?

München ist in der glücklichen Situation, Sitz etlicher DAX-Unternehmen zu sein und mehrere Tech-Giganten zu beheimaten. Das ist großartig! Nicht weniger wichtig sind aber die kleineren und mittleren Betriebe und die Handwerker, denn sie sind nicht nur das Rückgrat der Münchner Wirtschaft, sondern bei vielen Dienstleistungen für die Münchnerinnen und Münchner unerlässlich. Es bringt deshalb nichts, einseitig auf einen Wirtschaftszweig zu setzen. Wir müssen weiter darauf achten, dass diese gesunde Münchner Mischung erhalten bleibt. Startups spielen mittlerweile außerdem eine wichtige Rolle, auf die wir weiter ein verstärktes Augenmerk legen müssen, denn sie sind wesentliche Innovationstreiber für zukünftige Entwicklungen.
 

Auch die Münchner Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Welche empfinden Sie als die drängendsten, und wie möchten Sie diese angehen?     

Die aktuellen Transformationsprozesse im Bereich der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz sowie die ökologische Transformation hin zu einem klimafreundlichen Wirtschaften sind gewaltig. Die Zeiten ändern sich rasant. Erschwerend kommt in vielen Bereichen der Arbeits- und Fachkräftemangel hinzu. Unsere exportorientierten Betriebe, vor allem in der Automobilindustrie, tun sich auf ihren Absatzmärkten in China und den USA immer schwerer und die Energiepreise sind zu hoch. Nicht alles können wir hier in München auf kommunaler Ebene lösen, aber wir müssen alles dafür tun, um ein wirtschaftsfreundliches Klima zu erhalten und sogar noch stärker neu zu schaffen. Wir müssen bürokratische Hürden und Hemmnisse abbauen und wir müssen denjenigen Unternehmen unter die Arme greifen, die Schwierigkeiten haben, die aktuellen Transformationsprozesse zu bewältigen. Es gibt viel zu tun!

"Es bringt nichts, einseitig auf einen Wirtschaftszweig zu setzen, sondern weiter darauf zu achten, dass diese gesunde Münchner Mischung erhalten bleibt."

Dr. Christian Scharpf, Referent für Arbeit und Wirtschaft

Ihre neue Aufgabe bringt viel Verantwortung mit sich. Gibt es in München einen Ort, an dem Sie besonders gut abschalten können?

Ein geistiger Kraftort in München ist für mich das Zentrum St. Michael. Ich bin den Jesuiten sehr verbunden, seitdem ich an deren Hochschule vor vielen Jahren ein paar Semester Philosophie studiert und das geistige Leben dort sehr zu schätzen gelernt habe.
 

Mit unserem Oberbürgermeister Dieter Reiter verbindet Sie die Leidenschaft für Musik. Könnten Sie sich vorstellen, einmal gemeinsam mit ihm in einer Band zu spielen?

Also politisch eint Dieter Reiter und mich sehr Vieles, aber bei unseren musikalischen Vorlieben sehe ich deutliche Unterschiede. Er kommt ja mit seiner Gitarre eher von der coolen rockigen Seite, während ich in der Lederhose in einer bayerischen Blaskapelle Klarinette und gelegentlich auch Saxophon spiele. Ein gemeinsames Musizieren dürfte sich daher sehr herausfordernd gestalten.
 

Als Wirtschaftsreferent sind Sie auch „Wiesn-Chef“. Wie sieht für Sie der ideale Oktoberfest-Besuch aus?

Seit meiner Kindheit liebe ich es, auf Volksfeste zu gehen, aber die Wiesn ist definitiv das ultimative Volksfest schlechthin und nicht zu übertreffen. Mein Rekord in Studentenzeiten waren 14 von 16 Tagen auf der Wiesn. Von Fahrgeschäften bis zum Bierzelt war alles dabei. Mittlerweile überreden mich meine Kinder manchmal zu Fahrgeschäften, bei denen ich mir hinterher denke: Einmal glangt! Die Highlights sind nach wie vor, wenn ich mit meiner Blaskapelle auf der Oidn Wiesn selber auf der Bühne stehe, was leider nur noch viel zu selten vorkommt. Den 14-Tage-Rekord aus Studentenzeiten werde ich jetzt dann auf jeden Fall brechen. Viele Leute kommen auf mich zu und sagen, mei, hast es Du schön, Du darfst jetzt dann jeden Tag auf die Wiesn gehen. Ich entgegne dann: Leute, ich bin dort zum Arbeiten da! Trotzdem bin ich mir sicher, das wird der tollste Arbeitsplatz den ich mir vorstellen kann.


Herr Dr. Scharpf, vielen Dank für das Interview.

Über Dr. Christian Scharpf

  • geboren 1971, aufgewachsen in Ingolstadt und Gaimersheim

  • verheiratet, Vater von vier Kindern

  • 1988 Mittlere Reife an der Freiherr-von-Ickstatt-Realschule Ingolstadt

  • 1988 - 1991 Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Bayerischen Vereinsbank in Ingolstadt 

  • 1993 Allgemeine Hochschulreife auf dem Zweiten Bildungsweg an der Berufsoberschule Ingolstadt

  • ab 1994 Studium der Rechtswissenschaften in Augsburg und München, 1. Staatsexamen 1999, anschließend Rechtsreferendariat und 2. Staatsexamen 2001

  • Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung

  • 1999 - 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU

  • 2003/2004 Promotion zum Dr. jur. mit einer Arbeit zur wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen

  • 2004 - 2020 Tätigkeit bei der Landeshauptstadt München, zunächst in der Rechtsabteilung des Direktoriums, anschließend knapp drei Jahre persönlicher Mitarbeiter von Oberbürgermeister Christian Ude. Ab 2012 leitender Beamter im Direktorium als Stadtdirektor

  • 05/2020 - 02/2025 Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt

  • ab 03/2025 Referent für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München

Referat für Arbeit und Wirtschaft

Das Referat für Arbeit und Wirtschaft unter Leitung von Dr. Christian Scharpf ist zuständig für Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarktpolitik, Europa, Beteiligungen, Tourismus und Veranstaltungen.